1988 – Afrikas Bienen — Herausforderung für die fortschrittliche Züchtung

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Fundgrube von unermesslichen züchterischen Möglichkeiten

Ostafrika

Zwischen 1952 und 1962 konnte ich die jeweilige Heimat der wesentlichen Bienen­rassen von Nordafrika nördlich und östlich der Sahara aufsuchen und ihre speziellen Eigenschaften bei Rein- sowie Kreuzungszucht feststellen.  Das schließt auch jene Varietät ein, die im südlichsten Teil der Arabischen Halbinsel beheimatet ist.  Der Teil des afrikanischen Kontinents südlich der Sahara kann jedoch aus apistischer, sowie rassenkundlicher Sicht als ein noch weitgehend unerforschtes Gebiet betrachtet werden.

Anlässlich des Apimondia Kongresses 1961 berichtete Dr. F.G. SMITH in Madrid über die Bienenrassen in Ostafrika, wo er mehrere Jahre in Tabora, Tansania, als Bienensachverständiger verbrachte.  In seinen Ausführungen erwähnte er eine sanftmütige, dunkle Varietät inmitten einer heilen und extrem aggressiven Rasse.  Die sanftmütige, dunkle Biene war — so seine Angaben — nur in Höhen über 2.400 m vorzufinden, nämlich auf dem Meru, dem Kilimandscharo, dem Berg Kenia und dem Elgon in Uganda.  Entsprechend der Veröffentlichung eines Missionars namens Bruno GUTMANN war diese sanftmütige Biene schon vor 1923 bekannt.  In seinem Bericht „Die Imkerei bei den Dschagga“ schreibt er: „Sie ist völlig schwarz und sehr gutmütig und bedeutend größer als die anderen Arten.“ Dazu sollen „die von ihr bevölkerten Butten“ .  .  .  „die reichste Ausbeute“ geben.  Dr. SMITH gab später dieser Rasse die Bezeichnung Apis mellifera monticola.  Seit unserer Begegnung in Madrid hegte ich die Hoffnung auf eine Möglichkeit, die Monticola und andere Rassen südlich der Sahara näher kennenzulernen.

Afrika ist der größte Teil des Verbreitungsgebietes der Honigbiene.  Zudem umfaßt dieser Kontinent alle denkbaren Umweltbedingungen zusammen mit klimatischen Extremen und stellt so notwendiger Weise ein einmaliges Reservoir von Bienenrassen und Ökotypen dar.  Nach biometrischen Befunden von Professor Dr. Friedrich RUTTNER befindet sich dort die kleinste sowie die größte und zugleich die hellste und dunkelste Bienenrasse.  Überdies kommt dort auch die einzige Rasse vor, deren Arbeiterinnen die Fähigkeit besitzen, ohne Begattung weibliche Nachkommen zu erzeugen.  Nach heutigem Kenntnisstand befinden sich acht unterscheidbare Bienenrassen südlich der Sahara:

Apis mellifera adansonii
Apis mellifera capensis
Apis mellifera litorea
Apis mellifera monticola
Apis mellifera nubica
Apis mellifera scutellata
Apis mellifera unicolor und
Apis mellifera jemenitica.

Letztere ist, wie ihr Name andeutet, auch in den südlichsten Gegenden Arabiens zu finden.  Eine solche Varietät aus Oman konnte ich vor Jahren erproben.

Die Monticola

Unser Forschungsunternehmen befasste sich speziell mit der A. m. monticola.  Wir wollten jedoch, soweit es uns möglich war, zugleich auch die anderen bodenständigen Bienenrassen von Ostafrika kennenlernen.  Die Monticola ist offensichtlich in ihren physiologischen Eigenschaften und ihrem Verhalten eine sehr eigenartige Rasse.  Wir verfügen soweit auch über keine Anhaltspunkte hinsichtlich ihrer Herkunft und Abstammung.  Angeblich ist sie nur auf Erhebungen von über 2 000 m vorzufinden, also nur auf den höchsten Bergen von Ostafrika.  Zudem ist sie umringt von der aggressivsten aller Bienenrassen, der A. m. scutellata.  Diese Varietät ist mit einer Serie von anderen äußerst nachteiligen Eigenschaften behaftet.  Erstaunlicherweise scheinen die guten Eigenschaften der Monticola in Kreuzungen mit der Scutellata zu dominieren.  Da wir allerdings in keinem Fall den Grad einer Kreuzung feststellen konnten, müssen wir abwarten, bis uns selektive Kreuzungen vorliegen.

Das gilt auch für die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Monticola — rein oder gekreuzt.  Sanftmut ist eine relative Eigenschaft, und so vermutete ich, die mehrfach berichtete Sanftmut der Monticola sei im Verhältnis zur Stechlust der Scutellata zu sehen.  Ich war aber nicht weniger überrascht herauszufinden, daß die Monticola diesbezüglich allen Beschreibungen tatsächlich entspricht.  Die Farbe dieser Rasse wird allgemein als sehr dunkel bis schwarz eingestuft.  Nach unserem Ermessen ist sie dunkelbraun.  Ebensowenig konnte ich eine Verwandtschaft mit der A. m. intermissa erkennen.

Über die Monticola gibt es verschiedene, irrtümliche Vorstellungen: So zum Beispiel soll sie sich mit bestimmten anderen Varietäten der Honigbiene nicht paaren (Vgl.  American Bee Joumal, Nov 1986, 729, Ideen zu einer Bienensperre gegen die afrikanisierte Biene).  Ebenso wenig können wir die Theorie von einer einheitlich dunklen Monticola über 2 400 m unterstützen.  Unter all den Völkern, welche wir durchsahen, befand sich nur ein einziges, welches ein einheitlich dunkles Aussehen aufwies.

Unser Reiseunternehmen

In der letzten Ausgabe von „Auf der Suche nach den besten Bienenstämmen“ zeige ich wenig Hoffnung über eine Möglichkeit, die Bienenrassen südlich der Sahara erforschen zu können.  Allerdings wurde ich während der vergangenen Jahre von maßgeblichen Seiten immer wieder aufgefordert, dieses Unternehmen trotz aller Bedenken in Angriff zu nehmen.  Zugleich wurde mir die unerläßliche Hilfe von imkerlicher, sowie organisatorischer Seite aus angeboten.  Eine englische Filmgesellschaft übernahm die Flug-, Hotel- und Transportreservationen.  Das Filmteam und die Imkergruppe umfaßte je sechs Personen, darunter eine Ärztin — eine Vorsichtsmaßnahme, die sich alsbald als unerläßlich erwies.

Nach reichlicher Überlegung wurde die Ausführung unseres Vorhabens auf den Monat September festgesetzt.  Wir mußten die extreme Hitze der dortigen Sommerzeit im Dezember, Januar und Februar, sowie die tropischen Regenperioden vermeiden.  Ein Unternehmen wie das unsere wäre zu diesen Zeiten einfach unausführbar gewesen.  Was den Entwicklungsstand von Vegetation und Bienenvölkern angeht, entspricht der September dort dem März in südlicheren Gegenden Europas.  Die Völker, welche wir durchschauten, hatten auf mehreren Waben Brut und verfügten zu dieser Zeit nur über ein Mindestmaß an Vorräten.

Unser Flug ging ab Frankfurt.  Nach einer Zwischenlandung in Dschidda, Saudi-Arabien, meldete sich der Flugkapitän um 8 Uhr in der Frühe mit der Ankündigung, wir würden in Kürze den Kilimandscharo und Meru sehen — unser wesentliches Arbeitsgebiet in Tansania aus der Vogelperspektive.  Wir erreichten den Flughafen von Daressalam um 9 Uhr.  Zollformalitäten etc.  nahmen ihre Zeit und so erreichten wir etwa um 12 Uhr unser Hotel.  Am nächsten Morgen flogen wir nach Aruscha weiter.  Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt kamen wir an der nördlichsten Spitze der Massai–Steppe vorbei, dann durch tropische Gebiete mit Bananenhainen, extensivem Kaffeeanbau und Anlagen mit tropischen Früchten aller Art.

Aruscha

Kurz nach unserer Ankunft in unserem Hotel erlitt ich einen Unfall.  Demzufolge konnte ich den bevorstehenden strapaziösen Tagesaufgaben nicht vollauf nachkommen, ohne das ganze Unternehmen zu gefährden.  Allerdings konnte unser Arbeitsprogramm dank der allseits tatkräftigen Bereitschaft aller Teilnehmer ohne jeglichen Nachteil ausgeführt werden.

Aruscha befindet sich direkt südlich des Meru.  Hier waren wir auch nicht weit weg vom „Serengeti-Wildlife-Institute“ und dem Bieneninstitut, dessen Direktor, Liana HASSAN, vom Landwirtschaftsministerium in Daressalam die Anweisung erhielt, uns jedmögliche Hilfe zu gewähren.  Dies tat er in jeder Hinsicht.  Am Tag unserer Ankunft kam er noch abends, um ein Programm für den Zeitraum unseres Aufenthaltes in Tansania zusammenzustellen.  Wir schulden Liana HASSAN tiefsten Dank für sein Entgegenkommen und seine Hilfsbereitschaft.

Nach diesem Programm begaben wir uns am folgenden Vormittag zum Bieneninstitut von Liana HASSAN, wo wir von seinen Assistenten begrüßt wurden.  Dort besichtigten wir den Bienenstand, der nicht weit vom Institutsgebäude entfernt war.  Die Völker, in Beuten mit beweglichen Waben, waren in einzelnen Gruppen in Lichtungen eines Waldes aufgestellt.  Hier begegneten wir zum ersten Mal der A. m. scutellata.  Sie zeigte sich sofort von ihrer aggressivsten Seite.  Ohne jegliche Störung, durch unsere bloße Anwesenheit provoziert, strömten die Bienen aus allen Fugen und Öffnungen der Beuten und stürzten sich auf uns.  Wir mußten uns in eine andere Lichtung begeben, wo sich nur eine Beute mit Bienen befand.  Diese konnten wir mit normalen Besänftigungsmaßnahmen und ohne große Mühe unter Kontrolle halten.  Die Bienen hier waren ebenfalls flüchtig und sammelten sich außerhalb der Beute an; dort aber konnte man sie handvollweise fassen, ohne gestochen zu werden.  Obwohl die Königin in voller Eilage war, flog sie sofort aus meiner Hand und suchte das Weite — angeblich eine typische Reaktion der Scutellata–Königinnen.

Wir wollten selbstverständlich die Scutellata noch genauer kennenlernen, denn diese Biene soll ja die weit verbreitetste Biene in ganz Afrika sein.  In der Tat wird vermutet, daß die A. m. adansonii womöglich identisch ist mit der A. m. scutellata, oder wenigstens eine Varietät dieser Rasse darstellt.

Bald bot sich eine geeignete Gelegenheit.  Etwa 160 km südwestlich von Aruscha, nicht weit vom Tarangire National-Park, in einer sehr heißen und wasserreichen Niederung, besuchten wir eine ultramoderne Farm.  Neben Zuckerrohranbau und anderer tropischer Landwirtschaft gibt es dort eine Fisch- und Bienenzucht.  Auf dem Bienenstand, der mit einem hohen Zaun umgeben ist, fanden wir etwa 40 Scutellata–Völker in modernen Beuten, einzeln aufgestellt.  Wir öffneten eine Beute, in der sich das Volk zwar unruhig, sonst jedoch allgemein normal verhielt.  Bald darauf merkten wir, daß alle anderen Völker, auf irgendeine Weise alarmiert, wie in Schwärmen aus ihren Beuten strömten.  Diese Bienen zeigten eine solche Stech- und Verfolgungswut, wie sie mir zuvor nicht bekannt war.  Wir flüchteten über 400 m durch ein Bambusgebüsch zum Wohnhaus.  Die Scutellata verfolgte uns bis dorthin unerbittlich und versuchte sogar ins Haus einzudringen.  Es vergingen volle zwei Stunden, ehe wir uns erneut ins Freie wagten, nachdem die Verfolgungswut abgeflaut war.

Diese extreme Verfolgungswut war mir nicht neu, denn sie ist ein Kennzeichen der Fasciata–Rassengruppe.  Die spontane Angriffslust „en masse“, jedoch ohne jegliche Störung der Völker, war mir bislang unbekannt.  Nun kann ich mir auch vorstellen, daß eine Kreuzung der Scutellata mit Drohnen der A. m. mellifera, was in Brasilien zuerst geschehen sein soll, die Bezeichnung „Mörderbiene“ vollauf verdient.

Die erwähnten Erfahrungen waren für eine objektive und reale Bewertung unserer weiteren Forschungsarbeiten unerläßlich: Wir konnten uns nun mit diesen Kenntnissen zuversichtlich unserer Hauptaufgabe zuwenden.

Am Meru

Der Meru ist ein Vulkan, der seinen letzten großen Ausbruch vor hundert Jahren erfuhr.  Er besteht aus drei Teilen, dem 4 556 m hohen großen Meru, dem 3 822 m hohen Kleinen Meru sowie einem 3 667 m hohen Aschenkegel.  Der Meru befindet sich zudem in einem Naturschutzgebiet mit mannigfachem Wildbestand.

Nach einer vorbereitenden Erkundigung des südöstlichen Abhangs des Meru brachen wir zur westlichen Seite des Berges auf.  Der Weg dorthin führte zuerst durch eine sehr fruchtbare Gegend, dann ging es auf arg holprigen Forstwegen ständig aufwärts bis zum Regenwald.  Hier mußten unsere Fahrzeuge abgestellt und die weiteren Strecken zu Fuß erledigt werden.  Wir fanden echte Urwaldverhältnisse vor, keine Wege, nur Trampelpfade der Elefanten und anderer wilden Tiere, in den höheren Lagen Gebiete mit meterhohem Erikagebüsch.  Nahe bei der Baumgrenze kamen wir an eine kleine Lichtung mit den ersten Klotzbeuten; diese waren in horizontaler Lage in einer Höhe von mehr als sieben Metern an den Bäumen aufgehängt, wie das in Ostafrika allgemein üblich ist.  Die Klotzbeuten, wie sie hier verwendet werden, sind ausgehöhlte Baumstämme mit 140 cm Länge und 40 cm im Durchmesser.  Die Besiedlung der Beuten erfolgt ausschließlich durch vagabundierende Schwärme, wie Allah es bestimmt.  Eine eigentliche Bienenpflege, wie in anderen Teilen der Welt, kennt man hier nicht.

Vor der Honigentnahme oder vor einer Durchschau, wie wir sie vornahmen, müssen die Beuten an einem Seil herabgelassen werden.  Nach getaner Arbeit werden sie wieder zu ihrer vormaligen Stelle hochgezogen.  Es handelt sich also um eine sehr mühsame und zeitraubende Arbeit.  Die Honigentnahme bringt weitere Gefahren, weil sie, wegen der extremen Stechwut der Scutellata, bei Nacht erfolgen muß.

Das allererste Volk, welches wir kontrollierten, entsprach der Monticola, zeigte jedoch einen 10%igen Einschlag gelber Bienen; das zweite Volk war nahezu hell, mit einem leichten Einschlag dunkler Bienen.  Diese Befunde wurden im Bereich der Baumgrenze — wohl nicht ganz in einer Höhe von 3 000 m, aber immerhin gewiß über 2 400 m — gemacht.  Das entspricht einer Höhenlage, in weicher angeblich nur die einheitlich dunkle Monticola vorkommen soll.  Zwischen diesen unseren Befunden und den sonstigen Theorien ergab sich ein solch krasser Gegensatz, daß mir im Hinblick auf weitere Ergebnisse unserer Erkundigungen ernste Bedenken aufkamen.  Wie zu sehen war, bestätigte sich dies alsbald.

An diesem Tag nahmen der Fußmarsch und die Durchsicht der Völker weit mehr Zeit in Anspruch, als vorgesehen war.  So mußten wir uns nach getaner Arbeit unverzüglich auf den Rückweg begeben, um unsere Fahrzeuge vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen.  Nachdem wir etwa die Hälfte des Rückweges hinter uns hatten, kamen wir zu einer großen Lichtung, in der sich unsere Führer nicht mehr zurechtfinden konnten.  Es wurde schon beachtlich kühl, und es schien, als wären wir zu einer Übernachtung im Urwald bei den wilden Tieren gezwungen.  Auf der Suche nach einem Ausweg begegneten wir zum Glück ein paar Hirten, die uns die nötige Auskunft geben konnten.  Es war beinahe stockfinster, als wir die Fahrzeuge erreichten.  Die Erinnerung an eine solche Gefahr wollte unsere Gedanken nicht mehr verlassen.

Aufgrund unserer Befunde mußten wir einsehen, daß jede weitere Suche auf dem Meru keinen nennenswerten Erfolg gebracht hätte.  Folglich verlegten wir den Mittelpunkt unserer Bemühungen nach Moschi, einer Stadt, die am Fuß der Südseite des Kilimandscharo liegt.  Von hier aus konnten wir die weiteren Forschungsunternehmungen am günstigsten erledigen.  Auf dem Weg nach Moschi begrüßten wir gleichzeitig die zuständigen Behörden, die uns die unerläßlichen Genehmigungen gaben und uns den Zugang zum Kilimandscharo freundlicherweise gestatteten.

Am Kilimandscharo

Mit einer Höhe von 5 895 m ist der Kilimandscharo der höchste Berg Afrikas, ein aktiver Vulkan, dessen Haupt mit ewigem Eis und Schnee gekrönt ist.  Sein höchster Gipfel wurde einst „Kaiser-Wilhelm-Spitze“ genannt.  Heute heißt er Uhuru-Peak: Freiheitsgipfel.  Von der einheimischen Bevölkerung, den Dschagga, die rings um den Berg daheim sind, wird er Kibo genannt.  Für sie ist er der Berg der bösen Geister.  Sein Haupt kommt meistens nur abends zum Vorschein.

Die Nordseite des Kilimandscharo grenzt an Kenia; der östliche und südliche Teil ist Nationalpark, wo keine Bienenhaltung gestattet ist.  Die nordwestlichen Gegenden erwiesen sich folglich als unser wesentliches Forschungsgebiet.  Der Weg dorthin führte über sehr schlechte Straßen, die mit Schlaglöchern bestückt waren und dichte Wolken von Staub aufsteigen ließen — eher die Regel als eine Ausnahme in Tansania.  Fürwahr, jede Fahrt in Ostafrika bedeutet weitgehend eine wahre Tortur.

Nachdem alle Vorbereitungen erledigt und ein vorschriftsmäßig bewaffneter Begleitschutz gesichert waren, konnten wir eine erste Erkundigung der westlichen Höhenzüge wagen.

Unsere Route führte zu ganz abgelegenen Gegenden und denkbar bescheidensten Siedlungen.  Wie wir sehen konnten, wurden in den Lichtungen der Forstgebiete und des Laubwaldes, in dem sehr fruchtbaren Vulkanboden, Kartoffeln, Zwiebeln und anderes Gemüse angebaut; diese könnten in den tropischen Niederungen nicht gedeihen.

Wir mußten hier wiederum unsere Fahrzeuge abstellen und so gut wie möglich zu Fuß den weiteren Weg zurücklegen.  Wir kamen an einer Hütte vorbei, an deren Rückwand ein Bienenschwarm Zuflucht suchte; es handelte sich allerdings wieder um eine Kreuzung.  Unverdrossen marschierten wir weiter.  Abgesehen vom zunehmenden Sauerstoffmangel wurde es auch merklich kühler.  In einer Lichtung kamen wir endlich zu etlichen Klotzbeuten, die wieder an Bäumen aufgehängt waren.  Wie sich bald zeigte, handelte es sich allenfalls um Kreuzungen mit sehr unterschiedlichen Farbabstufungen.

Obwohl diese Kreuzungen meistens sehr friedfertig waren, erwies sich ein zuverlässiger Rauchapparat als eine unbedingte Vorsichtsmaßnahme.  Da wir nicht wußten, was wir erwarten konnten, hatten wir einen neuen Rauchapparat aus der Bundesrepublik Deutschland mitgebracht.  Die Elefanten besorgten das Rauchmaterial.  Dazu mischten die einheimischen Imker besondere pflanzliche Zutaten, welche nach ihrer Tradition auf Honigdiebe und deren Kinder eine nachhaltige Wirkung ausübten.  Die Tradition spielt hier in der Bienenhaltung noch eine wesentliche Rolle; sie beeinflußt jede Maßnahme und jeden Gegenstand.

Die ersten Befunde auf den Höhen des Kilimandscharo bestätigten meine Befürchtungen im Hinblick auf die Existenz einer einheitlichen A. m. monticola.  Wir waren trotzdem fest entschlossen, unser Vorhaben weiter zu verfolgen.  Die einheimischen Imker versicherten uns, in diesen Höhenlagen befänden sich nicht weniger als 500 solcher Beuten.  Allerdings konnte uns niemand sagen, wieviele davon mit Bienen besetzt waren; in einem bestimmten Fall waren es zehn von dreißig.

Um die weite Hin- und Herfahrt zu vermeiden, erwogen wir, die Nacht darauf in einer Behausung im Urwald zu verbringen oder in einem Dorf am Fuß des Kilimandscharo zu übernachten; beide Möglichkeiten erwiesen sich als ungeeignet.

Pünktlich um 5:30 Uhr wurde uns am folgenden Tag das Frühstück serviert.  Genau um 6 Uhr fuhren wir ab.  Ich muß gestehen, ich war jeden Morgen von der Begeisterung und Entschlossenheit aller Teilnehmer zutiefst beeindruckt, denn es war mir voll bewußt, welch extreme Anstrengung eine Ersteigung der Höhen mit mangelndem Sauerstoff, durch unwegsame Verhältnisse und Entfernungen bis zu 10 km zu Fuß bedeutete.  Auf unseren Touren erreichten wir meistens Höhen bis 3 000 m, und einmal ging es sogar bis über 4 000 m.  Als die Mannschaft am vierten Abend um 7 Uhr zurückkam, war mir klar, sie alle waren in der Tat erschöpfter als sie zugaben.  Ein vorzeitiger Abbruch unserer Bemühen war unvermeidlich.  Wir wußten ja jetzt aus erster Hand, was zu finden und was nicht zu finden war.  Auch am Äquator sind der Honigbiene Grenzen gesetzt.  Über 2 000 m besteht Frostgefahr und oberhalb der Baumgrenze gibt es keine beständigen Unterkunftsmöglichkeiten und Lebensbedingungen für ein Bienenvolk.

Am darauf folgenden Tag entschieden wir uns dennoch zu einer weiteren Erkundigung — allerdings zu einer, die weitgehend zur Entspannung aller Teilnehmer diente.  Wir wollten nämlich herausfinden, ob sich in dem Teil des Nationalparks des Kilimandscharo, in dem jede Bienenhaltung untersagt ist, dennoch wilde Schwärme finden lassen.  Trotz sorgfältigster Umschau konnten wir kein Anzeichen einer Anwesenheit von Bienen erkennen.

Ehe wir unseren letzten Aufstieg unternahmen, schöpften wir bei einem gemütlichen Mittagessen im schönen Kibo-Hotel Kraft, inmitten einer tropischen Umgebung, am Eingang der offiziellen Route zum Kibo.  Dieses Hotel wurde zur deutschen Kolonialzeit erbaut.  Heute noch findet man dort Erinnerungen an die Erstbesteigung des Kilimandscharo im Jahre 1889 durch Dr. Hans MAYER aus Leipzig.  Demgegenüber war unser Ziel ein bescheidenes.  Wir wollten nur soweit kommen, als unsere Fahrzeuge uns tragen konnten.  Der Weg führte ständig durch dichten Urwald: Baumarten, die es nur in den Tropen gibt, Riesenfarne, Erika und Bambus.  Mit zunehmender Höhe änderte sich die Vegetation.  Nach Bienen suchten wir vergebens.

Nach diesem letzten Abschnitt unserer bienenkundlichen Bemühungen in Tansania verbrachten wir noch einen Tag in den Wildtierreservaten am Manjara See und im Ngorongoro Krater.  Wie sich herausstellte, war es eine nicht ganz gefahrlose Entspannung.  In einem engen Tal, auf dem Weg zum Manjara-Hotel, bewunderten wir eine Affenfamilie an der Straße.  Offensichtlich hatte der Affenpapa kein Verständnis für uns, denn er machte einen Sprung auf das Fenster unseres Wagens.  Bei einem Picknick-Lunch im Ngorongoro-Krater wurden mir meine belegten Brote von einem Greifvogel, den ich nicht einmal zu sehen bekam, blitzschnell aus der Hand gerissen.  Mit einer anderen Person unserer Gruppe ging es weniger glimpflich aus.  Ihr wurden die Finger verkrallt.  Demgegenüber verhielten sich die Löwen, auch wenn sie nur wenige Meter entfernt waren, mit einer königlichen Ruhe und Gelassenheit, wie es sich für sie ziemte.

Kenia

Nach dieser kurzen Ablenkung mußten wir uns dem letzten Abschnitt unseres Vorhabens zuwenden.  Wir verbrachten noch eine Nacht in dem hochgelegenen Manjara-Hotel mit einer herrlichen Aussicht auf den See und das Wildtierreservat.  In einem VW-Bus ging es von dort aus über Aruscha nach Nairobi.  Hier erwartete uns Dr.I.K. KIGATIIRA, der Direktor der Bienenabteilung des dortigen Landwirtschaftsministeriums.

Noch am selben Tag führte uns Dr. KIGATIIRA freundlicher Weise zu dem Bieneninstitut außerhalb Nairobi, darauf zum staatlichen Bienenstand in einem Wald nicht weit vom Institut.  Hier, in einer Anzahl kleiner Lichtungen, waren die Bienenbeuten mit Draht zwischen zwei Pfosten etwa einen Meter über dem Boden aufgehängt.  Im Gegensatz zu den Klotzbeuten fanden wir diesmal eine Art Trogbeute vor.  Anstelle von Rähmchen werden darin 45 mm breite Leisten verwendet.  Diese sind nur mit einem Streifen Mittelwand versehen, von dem aus die Bienen ihre Waben bauen.  Die Breite der Leisten bestimmt den Wabenabstand.  Jede Wabe kann folglich einzeln entnommen und auch geschleudert werden.  Auf diese Weise wird Honig bester Qualität geerntet, was mit Klotzbeuten und Stabilbau nicht möglich ist.  Nach offiziellen Angaben sind in Kenia etwa hunderttausend der so genannten KTBHs (Kenya Top Bar Hives) im Gebrauch.  Diese sind in Wirklichkeit eine moderne Form der griechischen Korbbeuten, so genannte Spankörbe, die seit mehr als 3 000 Jahren gebräuchlich sind und dort heute noch verwendet werden.  Was die Zahl der traditionellen Klotzbeuten angeht, gibt es keine zuverlässigen Angaben.

Kenia sowie Tansania, vermutlich auch alle anderen Teile Ostafrikas, verfügen über ungewöhnlich günstige Trachtangebote.  Allerdings läßt die Anwesenheit der Scutellata mit ihrer unbändigen Aggressivität, ihrer hoch entwickelten Wandertendenz, ihrer Flucht und Schwarmneigung keine wirklich rentable Bienenhaltung nach unseren Maßstäben zu.  Die traditionelle Form der Imkerei, die in diesen Ländern seit jeher betrieben wird, entspricht offensichtlich den extrem bescheidenen Ansprüchen der dortigen einheimischen Bevölkerung.  Eine Modernisierung und Umstellung nach israelischem Beispiel kommt in Ostafrika einfach nicht in Erwägung — wenigstens einstweilen nicht.

Der genetische Reichtum

Aus allgemeiner bienenkundlicher und züchterischer Sicht umfaßt Afrika unermeßliche Potentiale.  Unsere Befunde, die über einen Zeitraum von vielen Jahren mit der Fasciata, der Intermissa, der Sahariensis und der Jemenitica gewonnen wurden, erteilten uns diesbezüglich konkrete Hinweise.  Auch hört man immer wieder aus verschiedenen Teilen Afrikas von sanftmütigen Ökotypen, und das von Leuten, denen man Glauben schenken muß.  Bemerkenswerterweise vertritt Dr. R.H. ANDERSON, Direktor des Bieneninstitutes in Stellenbosch bei Kapstadt, die Annahme, die Adansonii, die er gewiß bestens kennt, stelle die Basis der künftigen Honigbiene dar.  Er zitiert auch positive Ergebnisse hinsichtlich der Leistungspotenzialitäten dieser Biene.  Mit verschiedensten Kreuzungen konnten wir immer wieder feststellen, daß sich die Aggressivität züchterisch leicht beeinflussen läßt.  Die Monticola–Scutellata Kreuzungen, die wir um den Meru, den Kilimandscharo und um den Berg Kenia vorfanden, zeigten, daß die aggressivste aller Bienenrassen diesbezüglich keine Ausnahme bildet.

Soweit wir heute feststellen können, werden wir — wenn überhaupt irgendwo — in Afrika die Vorbedingungen zu einer Varroa-Resistenz finden.  Es liegen dort extrem nachteilige, sowie äußerst wertvolle Leistungseigenschaften in maximaler Intensität zugleich vor.  Allerdings, wer Mendels Lehre erfaßt hat, weiß, daß mit zweckdienlicher Auslese und Paarungen die Kreuzungen allein zu den wirtschaftlich wertvollsten Kombinationen führen.  In der Tat, die Bienenrassen Afrikas stellen eine Fundgrube von unermeßlichen züchterischen Möglichkeiten dar — eine Herausforderung für die fortschrittliche Züchtung, welche sie auf die Dauer weder mißachten noch umgehen kann.  Allumfassende Kenntnisse, konkrete Erfahrung auf breitester Basis, sowie jedmögliche

Vorsichtsmaßnahmen sind jedoch für ein Unternehmen dieser Art absolut unerläßlich.

Auszug außer der
Allgemeine Deutsche Imkerzeitung
ADIZ 1988 22(8) 277-278
und (9) 300-302.
Dr. honoris causa
Bruder ADAM KEHRLE
, O.S.B.,
St. Mary Abbey, Buckfast,
Devon, UK
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