1950 – Über das Zusetzen von Königinnen

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Vorbemerkungen

Bruder Adam, dessen Artikel in der Februarnummer unserer Zeitung bei allen Lesern großes Aufsehen und große Bewunderung erregt hat, ist im Begriffe, ein Buch über die Bienenzucht in Buckfast Abbey zu schreiben.  Er hat die Freundlichkeit gehabt, uns daraus das Kapitel über das Zusetzen von Königinnen zur Verfügung zu stellen, das wir hier in Übersetzung wiedergeben.  Von neuem ist man überrascht über die meisterhafte Art, wie der Verfasser Wesentliches vom Unwesentlichen zu scheiden weiß, wie es ihm gelingt, wissenschaftliche Erkenntnis und praktische Arbeit im Bienenstand in Einklang zu bringen.  Jede falsche Theorie würde sich ja in einem Großbetrieb wie Buckfast sofort auf irgendeine Weise rächen.  Und wie einfach und selbstverständlich das alles klingt! — So nebenbei werden Fragen von größter wissenschaftlicher und praktischer Bedeutung aufgeworfen, wie diejenigen vom “Volksgeruch” oder von der Wirkung der Milbenheilmittel auf das Verhalten des Bienenvolkes. 
Wir danken Bruder Adam herzlich für diesen neuen Beitrag für unsere “Blaue”.  Er ist gegenwärtig auf einer Reise durch den Kontinent zum Studium der Bienenrassen begriffen, auf der er auch die Schweiz besuchen wird.  Wir hoffen, auch fernerhin mit diesem ausgezeichneten Bienenmeister in Verbindung bleiben zu können.
O.  Morgenthaler

Das Zusetzen von Königinnen ist zweifellos eines der wichtigsten Probleme der Bienenzucht. Abgesehen vom Wetter, über das wir keine Gewalt haben, ist die Königin der Urquell des Gedeihens und der Leistungsfähigkeit eines Bienenvolkes. Durch das Zugeben einer jungen, kräftigen Königin sind wir imstande, die Haupttriebfeder des Volkslebens zu erneuern, ein Volk zu verjüngen und es ständig auf dem Höchststand seiner Leistung zu erhalten. Ja, noch mehr, wir haben dadurch ein Mittel in der Hand, die meisten Störungen und Sorgen, von denen die Bienenhaltung bedrängt wird, zu umgehen. 

Leider bringt das Zusetzen von Königinnen, wie es bis jetzt praktiziert wurde, viele Schwierigkeiten und Fehlschläge mit sich. Tatsächlich gehen jährlich Tausende von wertvollen Königinnen unmittelbar vor Aufnahme ihrer nützlichen Legetätigkeit zugrunde, weil die richtige Erkenntnis der Ursache fehlt, welche über die Annahme einer neuen Königin entscheidet. Diese Ursache, obschon so einfach und einleuchtend, blieb infolge einer irrigen Vorstellung von Geheimnis umhüllt und entzog sich dem Verständnis des Imkers. Man hat falsche Schlüsse aus den Versuchen und Beobachtungen gezogen. 

Nach den Schätzungen zuverlässiger Fachleute gehen 50 % aller Königinnen beim Zusetzen verloren. Das mag vielen übertrieben erscheinen; aber nach unsern eigenen Erfahrungen aus früheren Jahren ist diese Schätzung kaum zu hoch gegriffen, wenn wir nicht nur die beim Zusetzen verunglückten Königinnen mitzählen, sondern auch diejenigen, die zwar angenommen, aber irgendwie beschädigt werden. Dieser indirekte Verlust, verursacht durch Beschädigungen, ist oft größer als derjenige, der durch das sofortige Abtöten der Königinnen entsteht. 

Ein Volk mit einer fehlerhaften Königin — der Fehler braucht äußerlich nicht sichtbar zu sein — hat praktisch keinen Wert: solche Königinnen sind in der Tat oft die Ursache ständigen Misserfolges. Völker mit solchen Königinnen weiseln innerhalb weniger Wochen oder Monaten um, oft ohne dass der Bienenzüchter es merkt; oder aber sie behalten die geschädigte Königin, erreichen aber nie die normale Volksstärke und Leistungsfähigkeit. 

So erachten wir eine richtige Zusetzmethode, bei welcher die Königin geschützt ist vor jeder Art von Verletzung oder sonstiger Beschädigung, als eines der wenigen Dinge, auf die es in der Bienenzucht wirklich ankommt. Es ist der Angelpunkt, um den sich unser ganzer Bienenzuchtbetrieb in Buckfast dreht. Wir glauben das zweifache Ziel, das wir uns gesetzt hatten, erreicht zu haben: nicht nur soll jede Königin angenommen werden, sondern jede soll mit unverminderter Kraft und Fruchtbarkeit ihre Tätigkeit im neuen Heim sogleich aufnehmen.

Alle bisherigen Zusetzmethoden beruhten auf der Theorie, eine fremde Königin müsse, bevor sie angenommen werde, auf irgendeine Art den Geruch des Volkes erwerben, dem sie zugesetzt werden soll. Es wurde vorausgesetzt, jedes Volk habe einen besonderen Geruch und eine neue Königin müsse zuerst eine Zeitlang in einem Käfig in ihr neues Heim gebracht werden, damit sie den neuen Geruch annehme — man müsse sie also gleichsam den Bienen zuerst “vorstellen”, damit sie freundlich aufgenommen werde.  Da erhebt sich nun die Frage: liegt irgendwelches Beweismaterial vor, das die Annahme stützt, jedes Volk habe einen individuellen Geruch?

Neuere Untersuchungen durch zuständige Wissenschaftler bestätigen unsere Ansicht, wonach es einen individuellen Volksgeruch nicht gibt. Es liegen keine wissenschaftlichen Beweise vor für das Vorkommen eines solchen, für jedes Volk charakteristischen und unterschiedlichen Geruches, welcher den Bienen ermöglichen würde, eigene Stockgenossen von fremden Bienen zu unterscheiden. Mit dem Ausdruck “Volksgeruch” verbindet man die Vorstellung, dass die Bienen einen Duft ausströmen, der jedem Mitglied der Kolonie einen gleichen und charakteristischen Geruch verleiht, welcher von Volk zu Volk wechselt. Wie gesagt fehlt jeder schlüssige Beweis für eine solche Annahme. 

Wohl gibt es Stockgeruch — eine Kombination von Düften aus den Waben (besonders alten Brutwaben) und aus Propolis, Pollen, Honig, Brut usw. Zweifellos verändert sich Stärke und Art dieses Stockgeruches je nach der Jahreszeit, Temperatur, Tracht usw.  Aber diese Veränderungen von Volk zu Volk können den Bienen kaum als Erkennungszeichen dienen, wenn es sich um Völker des gleichen Standes handelt, die alle den gleichen Außenbedingungen unterworfen sind und deshalb auch im Innern des Stockes keine großen Unterschiede aufweisen werden. Tatsächlich wollen wir jetzt den Beweis antreten, dass die Bienen sich nicht am Stockgeruch erkennen. 

Ohne Zweifel besitzt die Königin einen besonderen Geruch, an welchem sie von den Bienen erkannt wird. Dass aber jede Königin einen andern Geruch habe und diesen den Bienen vermitteln könne, erscheint im Lichte der Erfahrung als unwahrscheinlich. 

Auch der Geruch, der von der Duftdrüse am Hinterleib der Arbeitsbienen ausgeströmt wird, scheint nicht ein besonderes Erkennungszeichen für jedes Volk zu sein. Der Zweck dieses Duftes ist, die Bienen eines Volkes oder Schwarmes nach einem bestimmten Punkt zu locken. Aber dieser Duft ist augenscheinlich nicht verschieden von Volk zu Volk, sonst könnte keine so völlige Verwirrung entstehen, wie man sie oft beobachtet, wenn eine Anzahl von Schwärmen gleichzeitig auszieht und dann wieder zurückkehrt. Die Anziehungskraft dieses Duftes muss sehr groß sein, denn wir wissen, dass Bienen dadurch verleitet werden können, sich einem fremden Schwarm anzuschließen oder in einen fremden Stock zurückzukehren, wo sie dann oft getötet werden. 

Wir haben unterschieden zwischen “Stockgeruch” und “Volksgeruch”. Die nachfolgenden Beobachtungen zeigen, dass man diese beiden Dinge auseinanderhalten muss. 
Die oft gehörte Ansicht, jeder scharfe Geruch verdecke den “Volksgeruch”, beruht offenbar auf einem Irrtum. Wintergrünöl (Methylsalicylat) z.B. hat einen sehr durchdringenden Geruch, doch ist bei seiner Anwendung nie Räuberei beobachtet worden. Tatsächlich scheint dieses Mittel, vernünftig angewendet, keinen sichtbaren Einfluss auf die Bienen zu haben. Das Frowsche Mittel dagegen ruft, wie kaum eine andere Substanz, Räuberei hervor und dies ist sein größter Nachteil. Kreosot bewirkt ebenfalls Räuberei. Doch ist es nach unserer Meinung nicht der Geruch der Frowschen Flüssigkeit oder des Kreosots, der Räuberei verursacht, sondern wir glauben, dass die Dämpfe dieser Substanzen die Bienen in eine Art Betäubung versetzen, so dass sie den natürlichen Instinkt zur Verteidigung ihrer Vorräte verlieren. Warum denn haben Izal und Karbolsäure den gegenteiligen Einfluss, indem sie die Räuber abhalten, während die Frowsche Mischung und Kreosot Räuberei hervorrufen? Wenn jeder starke Geruch von sich aus den Stockgeruch überdecken würde, so müssten doch Frowlösung, Kreosot, Methylsalicylat, Karbolsäure und Izal die gleiche Wirkung haben. Das ist nicht der Fall, deshalb muss man wohl annehmen, dass nicht der Geruch die entscheidende Rolle spielt, und dass also auch nicht der Stockgeruch das Merkmal ist, an dem sich die Bienen gegenseitig erkennen. 

Wir haben bis jetzt kein Beweismaterial für die Existenz eines individuellen Volksgeruchs finden können, und alle unsere Beobachtungen und Versuche — speziell auf dem Gebiete des Zusetzens von Königinnen — zeigen, dass der “Volksgeruch” in das Gebiet der Fabel gehört.  Es handelt sich nur um eine bequeme und scheinbar einleuchtende Interpretation von Erscheinungen und Reaktionen im Bienenvolk, die man noch nicht befriedigend erklären kann. Tatsächlich wissen wir noch nicht, wie die Bienen einander erkennen können. Wir kennen eine ganze Anzahl von Fällen, wo nach dem Zusetzen einer Königin die heftigsten Kämpfe zwischen den Bienen des Stockes ausbrachen, welcher die neue Königin erhielt, obschon unsere Zusetzmethode damals noch auf der Idee fußte, die Königin müsse vorher den Geruch des neuen Stockes annehmen. Solche Kämpfe dauerten oft an bis nur noch eine Handvoll Bienen mit der Königin übrig blieben.  Da kann doch nicht ein “Volksgeruch” die Ursache sein.

Unsere Erfahrung führt uns zum Schluss, dass der “Volksgeruch” (auch wenn es wirklich so etwas geben sollte) jedenfalls nicht die geringste Rolle spielt beim Zusetzen einer Königin. In allen Fällen — welche Zusetzmethode man auch immer anwende — liegt die Ursache, welche über Annahme oder Rückweisung einer Königin entscheidet, im Verhalten der Königin. Dieses Verhalten, aber ist abhängig vom Zustand der Königin zur Zeit ihrer Befreiung. So sind wir überzeugt, dass z.B. das Einknäueln oder das Abstechen einer Königin durch ihr eigenes Verhalten bestimmt wird.  Eine frisch begattete oder eine jungfräuliche Königin wird durch das Öffnen des Kastens erschreckt — auch wenn sie in demselben Stock geschlüpft ist — und dann oft eingeknäuelt oder getötet. Eine so erschreckte Königin rennt auf den Waben umher und bringt dadurch die Stockbewohner in Aufruhr, so dass diese sie angreifen. Das ist nicht nur der Fall, wenn ein Stock geöffnet wird, sondern jede andere Störung und Aufregung kann dieselben Folgen haben. So mag der Verlust unbegatteter Königinnen zwar zum Teil auf das Wegschnappen durch Vögel oder auf die Rückkehr in einen falschen Stock zurückzuführen sein, wir glauben aber, dass ein größerer Teil dieser Verluste verursacht wird durch irgend eine Aufregung im Stocke selbst, welche die Bienen zu feindseligem Benehmen veranlasst. Auch hier kann nicht das Fehlen eines Volksgeruches verantwortlich gemacht werden, denn die jungfräuliche Königin gehört ja zum gleichen Volk; ausschlaggebend ist ihr Zustand und ihr Verhalten. Was wir unter “Zustand und Verhalten” verstehen, sei im Folgenden näher erklärt. 

Wird eine junge Königin, die seit einigen Wochen in Eierlage ist, in einen Käfig gesperrt und gleichen Tages in einem andern Volk freigelassen, so wird sie mit Sicherheit angenommen. Wird dieselbe Königin erst am zweiten Tage freigegeben, so wird sie wahrscheinlich angegriffen und eingeknäuelt.
Die Erklärung liegt darin, dass sie am zweiten Tage vielleicht nicht mehr so zum Eierlegen bereit ist wie am ersten Tag.

Je länger eine Königin eingesperrt ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie angenommen wird, es sei denn, dass die Bienen sie durch das Gitter des Käfigs hindurch füttern, so dass sie sogleich nach der Befreiung ihre normale Legetätigkeit aufnehmen wird. Wird sie nicht gefüttert und doch freigelassen, so wird sie getötet oder eingeknäuelt oder sonstwie beschädigt, weil sie nicht im Legezustand war, sich also von ihrem Gefängnisaufenthalt noch nicht erholt hatte.

Aus diesem Grunde sollte eine durch die Post zugestellte Königin immer zuerst einem Ablegervölklein (Nucleus) beigesetzt werden, welches mindestens drei Tage vor der Ankunft der Königin gebildet worden ist. In dieser Zeit kehren alle alten Bienen in den Elternstock zurück, und die allein zurückbleibenden Jungen werden die fremde Königin sogleich füttern, sie so in ihren normalen Legezustand zurückführen und dann mit Sicherheit annehmen. Wenn sie dann einige Wochen gelegt hat, kann sie ihrem definitiven Stock beigegeben werden. 

Längeres Einschließen, wie es bisher empfohlen wurde, bewirkt also das Gegenteil des erhofften Erfolges. Es macht die Annahme der Königin ungewisser, problematischer.  Wenn eine Königin nach längerer Haft in einem Zusetzkäfig — ganz gleichgültig, wie dieser beschaffen ist — doch angenommen wird, so geschieht das nicht, weil sie den gleichen Geruch angenommen hat, sondern — wie schon gesagt — weil sie sieh bei der Befreiung in richtiger körperlicher Verfassung befand und sich richtig benahm.  Das gleiche gilt für alle sogenannten “direkten” Zusetzverfahren.  Wenn wir also behaupten, das Verhalten der Königin sei der wichtigste Faktor beim Zusetzen — ganz gleichgültig, welche Zusetzmethode angewendet wird — so geben wir doch ohne weiteres zu, dass auch der Zustand und das Verhalten des Bienenvolkes, das die neue Königin bekommt, von Einfluss ist auf Annahme oder Ablehnung. Aber auch der tüchtigste und erfahrenste Bienenmeister kann niemals mit unbedingter Sicherheit den psychologisch günstigen Moment erkennen und voraussagen, wann ein Volk in Stimmung ist, eine Königin anzunehmen.  Niemals können wir alle Umstände, Einflüsse.  Bedingungen und Reaktionen, die hier von Wichtigkeit sind, genügend überblicken. 
So ist auch der vorsichtigste, alles abwägende Bienenzüchter gezwungen, vieles dem Zufall zu überlassen. Und wie oft müssen da Fehlschläge verzeichnet werden! Jedoch sind der Zustand des Volkes und die Stimmung der Bienen nur dann von Einfluss, wenn frisch begattete Königinnen beigesetzt werden, bevor sie ihre volle Reife erreicht haben.
Mit andern Worten: eine Königin wird mit Sicherheit, ganz unabhängig von den Launen des Bienenvolkes, angenommen, wenn sie vor dem Zusetzen ein gewisses Alter, wenn sie ihre Vollreife erlangt hat. 

Was heißt “Vollreife”? Eine frisch begattete Königin, die mit der Eierlage begonnen hat, ist nervös und erschrickt leicht.  Die geringste Störung, jede Öffnung des Stockes durch den Imker, kann ihr Leben in Gefahr bringen. Im Laufe weniger Wochen jedoch ändert sich ihr Verhalten grundlegend. Ihre Bewegungen sind gesetzter, matronenhafter, ihre Reaktionen sind gleichmütiger, beim Öffnen des Stockes und Herausnehmen der Waben fährt sie ruhig und gelassen in ihrer normalen Tätigkeit weiter. Wenn sie etwa vier Wochen lang gelegt hat, ist sie “vollreif”. Den Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit erreicht sie zwar erst im folgenden Jahr, aber in ihrem Verhalten zeigt sie fürderhin keine Änderungen mehr, außer dass mit zunehmendem Alter ihre Bewegungen langsamer werden.

Die Frist, die wir für die Erlangung der Vollreife angegeben haben — vier Wochen —, mag für einige Königinnen etwas kürzer sein. Andrerseits gibt es Königinnen mit angeborener Nervosität — besonders Bastarde, aber auch solche von englischer oder französischer Abstammung — für welche diese Frist wahrscheinlich etwas länger angesetzt werden muss.  Doch genügt nach unsern Erfahrungen auch in den extremsten Fällen die Zeit von zwei Monaten. 

Noch ein weiterer wichtiger Punkt muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, nämlich die schwere Schädigung, die frisch begattete Königinnen erleiden, wenn sie zu früh, vor Erreichung der Vollreife, eingesperrt werden.  Der Handelszüchter trachtet danach, alle frisch begatteten Königinnen so rasch wie möglich, d. h. einige Tage nach Beginn der Eierlage, zu verwerten. Abgesehen von dem großen Verlust, der dadurch beim Zusetzen entstehen kann, sind frisch begattete Königinnen, wenn sie vor der Vollreife eingesperrt werden, außerordentlich empfindlich. Solche Königinnen sind meist dauernd beeinträchtigt in ihren Leistungen, auch wenn der Schaden vielleicht oft nur von den tüchtigsten Imkern bemerkt wird. Wir sind fest überzeugt, dass die unbefriedigende Leistung mancher wertvoller Jungkönigin auf diese Ursache zurückzuführen ist. 

Entgegen einer oft gehörten Ansicht glauben wir, dass eine Königin den Gipfel ihrer Leistungsfähigkeit nicht in ihrem Geburtsjahr, sondern erst im darauffolgenden Jahr erreicht.  Auch wird eine frischbegattete Königin, die im Frühsommer einem starken, ertragreichen Volk zugesetzt wird, in den folgenden Jahren nie soviel leisten, wie eine Königin, die bis zum Herbst oder folgenden Frühjahr in einem Reservevolk zurückgehalten wurde. Die Theorie, wonach eine junge Königin für eine gute Überwinterung des Volkes oder für eine richtige Ausnützung der Heidetracht im Herbst notwendig sei, ist unrichtig. Nach unsern Erfahrungen werden die größte Bienenzahl für die Heidetracht und der größte Trupp von Jungbienen für die Überwinterung geliefert von Königinnen im zweiten Lebensjahr. Dann sind sie auf dem Gipfel ihrer Kraft. Deshalb ist Umweiselung im Juli oder August ein großer Fehler — außer natürlich in Fällen, wo die alte Königin fehlerhaft ist.

In der Regel setzen wir nie eine junge Königin einem Honigvolk zu, außer etwa in den Jahren, da wir im Spätherbst noch einen großen Überschuss von Jungköniginnen haben.  Wir geben dann die Königin in der ersten Oktoberwoche zu. Aber wir ziehen es vor, die junge Königin im Reservevolk zu belassen und sie erst Ende März, d. h. sobald das Wetter im Frühjahr es erlaubt, dem Honigvolk zuzusetzen. Wir überwintern gewöhnlich rund vierhundert Reservevölker. Nicht alle diese Königinnen werden zum Umweiseln im Frühjahr benötigt. Die andern werden in Reserve gehalten für den Fall, dass die Königin im einen oder andern Honigvolk im Laufe der Saison nicht befriedigen sollte. 

Wir weiseln also unsere Völker meist im Frühjahr um, einige gelegentlich auch im Spätherbst oder auch zu jeder andern Zeit in der Bienensaison, wann es uns nötig erscheint und wann es uns passt. Wir sind des Erfolges so sicher, dass wir nie nachzuschauen brauchen, ob die Königin angenommen worden sei oder nicht. 
Wir würden es übrigens bald einmal merken, wenn eine Königin abgelehnt worden wäre, denn jeder begatteten Königin werden vor dem Zusetzen die Flügel gestutzt. 

Der praktische Bienenzüchter wird — dessen sind wir uns bewusst — allerlei einzuwenden haben gegen einen Plan, wonach die jungen Königinnen erst im Herbst oder sogar erst im nächsten Frühjahr zugesetzt werden. Dennoch glauben wir, dass die von uns befürwortete Art der Umweiselung so große Vorteile hat, dass sie bald alle andern Methoden verdrängen wird. Allfällige Nachteile treten völlig zurück, wenn wir bedenken, dass:

  1. die Umweiselung am Schluss oder zu Beginn der Saison erfolgt, also zu, einer Zeit, da der Bienenzüchter nicht durch andere wichtige Arbeiten in Anspruch genommen ist;
  2. zu dieser Zeit der Königinwechsel mit der denkbar kleinsten Störung des Volkslebens verbunden ist;
  3. die aufzuwendende Arbeit auf ein Minimum reduziert wird;
  4. keine Verluste entstehen, so dass man 25 bis 50 % weniger Königinnen zu   erziehen hat;
  5. jede Königin angenommen wird ohne die geringste Beschädigung;
  6. ein absolut sicherer Erfolg der ganzen Umweiselungsarbeit gewährleistet ist. 

Wir haben alle bekannten Zusetzmethoden nach und nach sehr ausgiebig geprüft und glauben deshalb, die Vorteile und Nachteile aller Verfahren zu kennen. Wir haben unser Lehrgeld bezahlt. Alle andern Methoden scheinen uns immer mit einer kleinern und größeren Dosis Unsicherheit, behaftet. In einer so grundlegend wichtigen Sache wie die Neubeweiselung wird aber jeder praktische Imker danach trachten, wenn möglich nichts dem Zufall zu überlassen. Was uns anbetrifft, so möchten wir niemals zu einem der frühern Zusetzverfahren zurückkehren, so wenig wie wir wieder in Körben imkern möchten.

Wir wissen aber sehr wohl, dass immer etwa Umstände eintreten können, die es nötig machen, auch frischbegattete Königinnen, die ihre Vollreife noch nicht erreicht haben, zuzusetzen. Auch werden Bienenzüchter, die ihre Königinnen nicht selber erziehen, sondern sie durch die Post zugestellt bekommen, ein anderes Zusetz- und Umweiselungsverfahren anwenden müssen als das oben beschriebene.  Wir wollen deshalb auch kurz auf solche Fälle eingehen. 

Muss eine noch nicht vollreife Königin einem weiselrichtigen oder weisellosen honigproduzierenden Stock beigesetzt werden, so empfehlen wir immer das Zusetzen vermittels eines Ablegervölkleins (Nucleus). Tatsächlich weiselten wir vor 1937 jahrelang alle unsere Völker im Juni oder Juli auf diese Weise um. Das Verfahren ist nicht unfehlbar, aber der Prozentsatz der angenommenen Königinnen ist größer als bei jeder andern der bisher üblichen Zusetzmethoden. Zudem braucht die Königin nicht eingesperrt zu werden, sie ist also nicht den Gefahren ausgesetzt, die jedes Einschließen mit sich bringt. Wir benutzen auch jetzt noch dieses Verfahren regelmäßig, wenn unser Vorrat an einjährigen Königinnen ausgegangen ist. 

Die junge, noch nicht vollreife Königin wird also, wie schon weiter oben ausgeführt, zunächst einem Ablegervölkchen zugesetzt, das mindestens drei Tage vorher gebildet worden ist. Hier sollte sie wenigstens eine Woche lang Eier legen. Das Zusetzen in den definitiven Stock geschieht dann auf folgende Weise: Der Ableger mit der jungen Königin wird geöffnet und die Bienen dem Licht ausgesetzt. Nun wird die alte Königin des umzuweiselnden Volkes gesucht und entfernt. Diesem Volk werden dann drei Brutwaben entnommen und an ihre Stelle — unter möglichst geringer Störung — die drei Waben des Ablegers mit Königin und Bienen eingehängt. Das Volk wird noch für fünf bis zehn Minuten offen gelassen, dem Licht ausgesetzt, dann wird wieder der Aufsatz gegeben und der Stock geschlossen. Wenn nötig, kann man schon am folgenden Tag nachsehen, ob die Königin angenommen wurde, doch ist es vorsichtiger einige Tage zuzuwarten. 

Die Waben mit Brut und Bienen, die dem umgeweiselten Stock entnommen worden sind, werden in den leeren Ablegerkasten gehängt; nach drei Tagen geben wir eine Königinzelle dazu. Oder wenn wir den Ableger nicht mehr brauchen, verstärken wir mit den Waben und Bienen ein schwächeres Volk. 

Der Anfänger erwartet vielleicht einen Kampf, wenn Bienen aus zwei weiselrichtigen Völkern so ohne jede Vorsichtsmaßnahme vereinigt werden. Es steht jedoch fest, dass Bienen, die etwa fünf Minuten lang dem Licht ausgesetzt sind, sich friedlich zusammenfinden, ohne jede andere Maßnahme. Auch hier spielt also der Volksgeruch keine Rolle, auch hier hängt der Erfolg unserer Ansicht nach ab vom Verhalten — in diesem Fall natürlich vom Verhalten der Bienen. Das Tageslicht hat, wie jeder gute Beobachter am Bienenstand weiß, einen beruhigenden Einfluss auf die Bienen.  Wir wenden nie eine andere Vorsichtsmaßnahme an, wenn wir einem weiselrichtigen Volk fremde Bienen zugeben.  (Diese Ablegermethode des Umweiselns wenden wir mit sehr gutem Erfolg auch an als Mittel zur Schwarmverhinderung. Darüber gibt das Kapitel “Schwärmen” meines Buches Auskunft.)

Der aufmerksame Leser hat bemerkt, dass wir entgegen der meist gegebenen Empfehlung nicht eine Periode der Weisellosigkeit einschalten, bevor wir die neue Königin zugeben. Die alte Königin wird entfernt und die junge sogleich zugesetzt (eventuell unter Zwischenschaltung eines Ablegers). Unsere Erfahrung lehrte uns:

  1. dass es von keinerlei Vorteil ist, ein Volk vor dem Zusetzen in den Zustand der Weisellosigkeit zu versetzen,
  2. dass ein weiselloses Volk, das Königinzellen angesetzt hat, weniger gewillt ist, eine nette Königin anzunehmen (das gilt aber, wie schon ausgeführt, nur für den Fall, da eine noch nicht vollreife Königin zugesetzt wird),
  3. dass man leicht eine Königinzelle übersieht, wenn man sie ausbrechen sollte, wodurch die neue Königin aufs höchste gefährdet werden kann. 

Eine vollreife Königin wird auch in einem weisellosen Volk — gleichgültig ob die Weisellosigkeit einige Tage oder einige Wochen gedauert hat — mit Sicherheit angenommen. Aber wie schon gesagt, sollte keine Königinzelle und auch keine unbefruchtete Königin, die in einem brutlosen Volk vorhanden sein könnte, übersehen werden. Das beste Mittel um sich vom Vorhandensein oder Fehlen einer Königin zu überzeugen, ist bekanntlich das Hineinhängen einer Wabe mit junger Brut.  Wenn eine unbefruchtete Königin da ist, werden keine Königinzellen angesetzt.

Zusammenfassung

Wir haben uns bestrebt zu zeigen:

  1. dass der Volksgeruch oder Stockgeruch keinerlei Bedeutung hat beim Zusetzen,
  2. dass längeres Einsperren einer Königin die Annahme, fraglicher macht,
  3. dass der Zustand des Volkes und die Stimmung der Bienen von Einfluss sind auf die Annahme der neuen Königin, dass es aber praktisch unmöglich ist, den psychologisch günstigen Moment für eine gesicherte Annahme zu erkennen, wenn die Königin noch nicht vollreif ist, 
  4. dass aber Zustand des Volkes und Stimmung der Bienen völlig bedeutungslos sind, wenn sich die Königin in jeder Hinsicht so verhält, dass sie nicht Feindseligkeit erregt;
  5. dass das Verhalten der Königin in jedem Fall der entscheidende Faktor ist, der schließlich Annahme oder Ablehnung bedingt, und
  6. dass das Verhalten der Königin abhängt von ihrem Zustand und ihrem Alter. 

Unsere Behauptung, das Verhalten der Königin sei der grundlegende und einzige Faktor, der über die Annahme entscheide, stützen wir mit folgenden Tatsachen:

  1. Vollreife Königinnen, die in Eierlage sind, können beigesetzt werden unter völliger Missachtung aller bisher als unumgänglich betrachteten Vorsichtsmaßnahmen. 
  2. Auf diese Art neubeweiselte Völker können schon am nächsten Tag geöffnet werden ohne die geringste Gefahr für die neue Königin.
  3. So zugesetzte Königinnen werden unfehlbar angenommen. 

Wir sind uns bewusst, dass unsere Feststellungen allen Theorien und Ratschlägen in unsern Lehrbüchern völlig widersprechen. Aber wir stützen uns auf unsere Erfahrung und die von uns beobachteten Tatsachen. Wir brauchen uns wohl nicht zu entschuldigen, dass wir so großes Gewicht legen auf diese so überaus wichtige Angelegenheit des Zusetzens von Königinnen. 

Eine sichere Zusetzmethode, die garantiert, dass jede Königin nicht nur angenommen, sondern auch ohne jede Beschädigung angenommen wird, ist eine der allerwichtigsten Grundlagen für die Bienenzucht. Alle zuverlässigen Fachleute sind sich darüber einig, dass der hohe Prozentsatz junger Königinnen, die alljährlich auf der Schwelle ihrer nützlichen Lebenstätigkeit elend zugrunde gehen, einen der dunkelsten und beklagenswertesten Mängel der modernen Bienenzucht darstellt. Eine unfehlbare Zusetzmethode sowie eine genügende Anzahl von Königinnen, um allen Zufällen begegnen zu können — diese zwei Punkte sind der Schlüssel zur erfolgreichen Bienenzucht.

Extrakt von Schweizerischen Bienenzeitung, 73(6 & 7), 1950, (6):267-273, (7):314-316
Artikel von Bruder ADAM O. S. B. St. Marys Abbey, Buckfast, Devon, Großbritannien